Pontinova verbindet nahtlos schweizerisches und deutsches Rechtsverständnis. Unsere einzigartige Stärke liegt in der ganzheitlichen Betrachtung beider Rechtssysteme, statt sie isoliert zu betrachten. Mit Rechtsanwälten, die sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz zugelassen sind, bieten wir grenzüberschreitende Expertise. Dies ermöglicht uns, für jede individuelle Situation maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, die alle relevanten rechtlichen Aspekte beider Länder berücksichtigen.
Unser Expertenteam bei Pontinova hat eine detaillierte Broschüre erstellt, der Ihnen bei allen wichtigen Aspekten Ihres Umzugs Orientierung bietet. Eines der zentralen Themen ist die zu berücksichtigende Wegzugsbesteuerung.
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Zieht ein Unternehmer, der Beteiligungen an einerKapitalgesellschaft hält, aus Deutschland ins Ausland, sollte besonderesAugenmerk auf die Möglichkeit der Wegzugsbesteuerung nach deutschem Steuerrechtgelegt werden.
Gem. §§ 6 AStG, 17 EstG wird die Wegzugsteuererhoben, wenn eine natürliche oder juristische Person
- in den vergangenen 5 Jahren,
- eine Beteiligung an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft von mehr als 1% gehalten hat,
- in den letzten 12 Jahren insgesamt 7 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war
- und ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt und dadurch die unbeschränkte Steuerpflicht endet. Von einer Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland wird unwiderlegbar ausgegangen, wenn der Aufenthalt in einem Staat länger als sechs Monate andauert.
Liegen diese Voraussetzungen vor, wird der Wegzug sobehandelt, als wären die Anteile an der Kapitalgesellschaft veräussert worden,ohne dass dies tatsächlich der Fall ist. Es kommt zu einer Besteuerung desfiktiven Veräusserungsgewinns und damit auch der stillen Reserven ohneentsprechenden Liquiditätszufluss.
Die Bestimmungen zur Wegzugsteuer wurden zum 1.1.2022 reformiert. § 6 Abs. 5 a.F. EStG ermöglichte eine zinslose, unbefristete Stundung bei einem Umzug in das EU /EWR-Ausland. Bei einem Umzug in einen Drittstaat, wie die Schweiz, war nur in Fällen einer unbilligen Härte die Möglichkeit einer Stundung vorgesehen.
Nach der Neufassung der §§ 6 AStG, 17 EStG wird die Wegzugsteuer nun grundsätzlich mit dem Wegzug fällig und ist somit grundsätzlich auch zu diesem Zeitpunkt zu zahlen. Gem. § 6 Abs. 4 AStG wird nunmehr nur auf Antrag des Steuerpflichtigen eine unverzinsliche Ratenzahlung über sieben Jahre gewährt. In der Regel ist hierfür eine Sicherheitsleistung zu entrichten. Dies gilt sowohl für Umzüge innerhalb der EU/des EWR-Raums als auch für Umzüge in Drittstaaten. Im Zusammenhang mit der ggfs. zu leistenden Sicherheitsleistung ist zu berücksichtigen, dass die Anteile an der Kapitalgesellschaft selbst nicht als Sicherheit geleistet werden dürfen.
Des Weiteren kam es durch die Neuregelung zum 1.1.2022 zu einer weiteren Verschärfung der Wegzugsteuer. Der Wegziehende muss nun nicht mehr zehn, sondern nur noch sieben Jahre während der letzten 12 Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig gewesen sein.
Ob die Bestimmungen zur Wegzugsteuer unionrechtskonform sind, ist unklar.
Zu den bis zum 1.1.2022 geltenden Bestimmungen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Wächtler-Urteil vom 26. Februar 2019 in Bezug auf einen Wegzug eines Deutschen in die Schweiz die sofortige Fälligkeit der Besteuerung bereits für unzulässig erklärt. Die sofortige Fälligkeit stelle einen Verstoss gegen das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen dar, da der Wegziehende einen steuerlichen Nachteil im Vergleich zu anderen deutschen Staatsangehörigen bei gleicher Situation - nur ohne Wegzug - erleide.
Infolge dieser EuGH-Rechtsprechung hat das Bundesfinanzministerium (BMF) in seinem Schreiben vom 13. November 2019 dargelegt, dass analog zu § 6 Abs. 5 AStG a.F. für Wegzüge in die Schweiz eine verzinsliche Stundungsmöglichkeit über fünf Jahre ohne Nachweis einer erheblichen Härte möglich sein soll. Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied in seinem Urteil vom 6. September 2023 , dass dieses Vorgehen des BMF dem Urteil des EuGH nicht gerecht werde. Zwar sei die Festsetzung der Wegzugsteuer im Zeitpunkt des Wegzugs grundsätzlich zulässig, zu diesem Zeitpunkt müsse aber von Amts wegen eine dauerhafte und zinslose Stundung bis zur tatsächlichen Veräusserung der Anteile erfolgen.
Hierzu äusserte sich das BMF bis heute nur in seinem Schreiben vom 22.12.2023 , in welchem es feststellte, dass es seine Praxis aufgrund dieser Urteile nicht ändern werde. Die Wegzugsteuer werde weiterhin zum Zeitpunkt des Wegzugs fällig. Es bleibe die Möglichkeit auf Antrag eine Ratenzahlung zu gewähren.
Empfehlung: Personen, die einen Steuerbescheid zur Festsetzung der Wegzugsteuer nach dem bis zum 1.1.2022 geltenden Recht erhalten haben, ist aufgrund dieser Rechtsprechung anzuraten, die Erfolgsaussichten eines Einspruchs gegen den Bescheid detailliert zu prüfen. Festzuhalten bleibt, dass das Wächtler-Urteil des EuGH zur alten Rechtslage ergangen ist. Eine Beurteilung der Rechtslage nach Verschärfung der Wegzugsteuer im Jahr 2022 bleibt abzuwarten. Auch insoweit dürfte anzuraten sein, einen Steuerbescheid zur Festsetzung der Wegzugsteuer prüfen zu lassen.
Ist ein Wegzug in die Schweiz geplant, kann es ratsam sein, in Bezug auf die Wegzugsteuer verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zu prüfen. So kommt beispielsweise Folgendes in Betracht:
Bestehen Pläne, die Beteiligungen an der Kapitalgesellschaft künftig ohnehin zu veräussern, könnte über eine frühere Veräusserung nachgedacht werden. Zwar wird die Veräusserung der Anteile ebenfalls eine Steuerpflicht auslösen. Es wird dann aber der tatsächlich erzielte Gewinn besteuert und nicht ein fiktiver.
Denkbar ist auch, eine Nachfolgeregelung hinsichtlich der Anteile an der Kapitalgesellschaft zu treffen. Zudem kann es sinnvoll sein, eine vom zuständigen Finanzamt unabhängige Bewertung des Unternehmens für die Berechnung der Steuer einzuholen. Das Finanzamt berechnet die Unternehmensbewertung lediglich nach dem reinen Gewinn des Unternehmens.
Ist nicht beabsichtigt, die Anteile zu veräussern, so könnte geprüft werden, ob es sinnvoll ist, die Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft mit Betriebsmittelpunkt in Deutschland umzuwandeln oder eine Personengesellschaft zwischenzuschalten. Bei dem Verkauf der Anteile an eine Holdinggesellschaft muss die Entstrickungsbesteuerung beachtet werden.